Simple Projektmanagement-Wahrheit

VonGabriele Pflanzl

Simple Projektmanagement-Wahrheit

In der Content-Strategie sind Auftraggeber und Entscheider selten ein und derselbe

Im Mittelpunkt aller content-strategischen Überlegungen steht immer der Kunde! Deshalb folgen Content-Profis stets der User Journey und sind bestrebt, dem Kunden auf seiner „Reise“ die bestmögliche UX (also User Experience) bieten zu können. Dazu ist ihnen auch beinahe jedes Mittel recht: Sie zerpflücken Webseiten anhand von SEO und Audits, betreiben Social Media-Monitorig, testen ob die IA, also die Informations Architecture, dem intuitiven Nutzerverhalten entspricht, erstellen Personas, um den Kunden stets bildlich vor Augen zu haben und vieles mehr.

Hieß es noch vor Jahren, das einzige was immer noch stört ist der Kunde, so muss man heute wohl vom Auftraggeber sprechen. Denn meiner Meinung nach sind die „goldenen“ Zeiten vorbei, in denen Agenturen sich nur darin übertrafen, möglichst kreative und preisverdächtige Werbung zu kreieren. Nicht der nächste Löwe, Effie oder Echo scheint das Ziel zu sein, sondern eine möglichst virale Kampagne „abzuliefern“, die den End-Consumer dermaßen begeistert, dass er sie freiwillig durch sämtliche Social-Media-Kanäle jagt.

Möge die Content-Macht mit dir sein

Zeit, um über Projektmanagement und Entscheidungsstrukturen nachzudenken. Project Manager und Digital Media Consultant Stefan Pollach schaffte es, uns in seiner Lehrveranstaltung im Master-Studium Content Strategy an der FH Joanneum, für dieses Thema zu sensibilisieren. Denn auch wenn wir Content-Strategen am liebsten den ganzen Tag lang nichts anderes als tun würden, als Kunden glücklich zu machen – vor der Kür kommt immer noch die Strategie.

Das Ziel „den Kunden glücklich zu machen“ hat ja generell so seine Schwachstellen. Denn es ist weder konkret noch auch nur ansatzweise messbar. Also in keinster Hinsicht SMART. Deshalb ist es vor Auftragsbeginn einfach enorm wichtig zu definieren, ob ihr:

  • a) ein Nutzenziel vor euch habt, etwa mit dem Ziel mehr Kunden zu generieren,
  • b) ein Ergebnisziel, etwa eine neue responsive Webseite zu erstellen, oder
  • c) ein Prozessziel, beispielsweise Cross-Media-Verbindungen neu zu etablieren.

Fragen zur Zielklärung, die mit dem Auftraggeber ebenfalls unbedingt abgeklärt gehören, sind:

  • Was soll am Ende anders sein als davor?
  • Woran merken wir, dass wir erfolgreich waren?
  • Was soll mit dem Projektergebnis erreicht werden?
  • Wozu dient das Projektergebnis?
  • Wer hat was davon?
  • Woran merkt man, dass das Ziel erreicht ist?
  • Wie unterscheidet man ein gutes Ergebnis von einem Spitzenergebnis?

Spätestens an dieser Stelle lässt sich erkennen, ob der Auftraggeber konkret weiß was er will und ob er auch der „richtige“ Auftraggeber im Sinne des Entscheiders ist.

Der, der das Projekt killen könnte, ist der Auftraggeber!

Und selbst dieser muss nicht der oberste Big Boss oder ein im Hintergrund agierendes Entscheidergremium sein. Denn besonders bei heiklen Themen/Inhalten müssen alle Stakeholder mitbedacht werden. Das können aktive MitarbeiterInnen, betroffene MitbürgerInnen/KundInnen oder auch Interessierte/Meinungsmacher sein.

Stefan Pollach spricht an dieser Stelle von der einfachen Formel: Erfolg = Qualität x Akzeptanz.

Deshalb empfiehlt es sich, etwaige Stakeholder-Befürchtungen laufend zu sammeln, zu gliedern und die offenen Fragen klären. Eine simple Tabelle kann hier schon helfen, den Überblick zu bewahren:

Tabelle zur Einschätzung etwaiger Stakeholder-Befürchtungen

Gezieltes Schwarzsehen mit der Pre-mortem-Methode

Vor großen Projekten, die eventuell sogar tief in die Abläufe eines Unternehmens eingreifen (etwa die Umstellung des Call Centers auf Chatbots oder die Implementierung einer völlig neuen IT-gesteuerten Vertriebsstruktur), empfiehlt es sich vorab die, von Gary Klein (1998) entwickelte und relativ einfach umsetzbare, Pre-mortem-Methode einzusetzen:

Wenn eine Organisation kurz vor einer wichtigen Entscheidung steht, sollten sich die involvierten Personen treffen, sich ein Jahr in die Zukunft versetzen und jede einzelne Person sollte dann ein katastrophales Zukunftsszenario über die derzeit präferierte Entscheidung zeichnen. Dies führt dazu, dass Gruppendenken überwunden wird und auch Optimisten und Befürworter dazu ermuntert werden, nach möglichen Gefahren zu suchen, während Gegner entdecken, dass vermeintliche Bedrohungen durchaus bewältigbar sein können.

Quelle: Klein, Gary (1998). Sources of Power: How People Make Decisions. London: MIT Press Books.

Fazit: Alles was schief gehen kann, geht gelegentlich auch schief (Murphy’s Law). Sich dieser Tatsache bewusst zu sein, Risikofaktoren größtmöglich zu sammeln und in einer Matrix zu gliedern, sind Grundlagen eines professionellen Projektmanagements in der Content Strategie. Dabei gilt es: Bedenken ernst zu nehmen, zu notieren und zu kommunizieren. Aber auch: positives Erwartungsmanagement zu betreiben, Dinge voranzutreiben und Erfolge sichtbar zu machen. Was wiederum nur funktioniert, wenn zuvor eine realistische Zielvereinbarung getroffen wurde (s.o.).

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Gabriele Pflanzl administrator