Auch Infografiken sind Content

VonGabriele Pflanzl

Auch Infografiken sind Content

Und sie beeinflussen unsere Wissensaufnahme enorm

Infografiken sind die vereinfachte Darstellung von Zahlenmaterial. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Mengenverhältnisse mittels diverser Diagrammformen zu visualisieren. Abhängig vom zugrunde liegenden Datensatz. Medien nutzen dieses Stilmittel sehr häufig, um dem Leser komplexe Inhalte rasch näher zu bringen. Oder, um damit Meinung zu machen.

So unfehlbar und seriös, wie viele von uns das Image von Diagrammen in sich verankert haben, sind sie nämlich gar nicht. Denn einerseits kann man bei ihrer Erstellung vieles falsch machen, andererseits bieten sich Diagramme aufgrund ihrer seriösen Anmutung als manipulatives Stilmittel geradezu an.

Unsere Professorin Wibke Weber hat es geschafft, uns in ihrer Lehrveranstaltung “Infographics and Visualisation” im Master-Studium Content Strategy an der FH Joanneum, für das Thema zu begeistern. Und nicht nur das! Sie brachte uns auch bei, unseren Blick für die Fallen und Fehler zu schärfen.

Gestaltgesetze sind die Erkenntnis darüber, was das Auge als zusammengehörig wahrnimmt

Gestaltgesetze sind keine Gesetze im eigentlichen Sinne, sondern viel mehr Erkenntnisse darüber, wie wir Dinge zuordnen und wahrnehmen. Ein Gestaltgesetz ist etwa das Gesetz der Nähe. Das, was nahe beieinander steht, nimmt man als zusammengehörig wahr. Das bedeutet, Dinge die inhaltlich zusammengehören, sollten auch optisch nahe beieinander stehen, sodass man sofort den Zusammenhang erkennen kann. Ein weiteres Gesetz ist das Gesetz der Ähnlichkeit: Dinge, die ähnlich aussehen, eine ähnliche Form, Figur oder Farbe haben, werden als zusammengehörig wahrgenommen. Oder das Gesetz der Einfachheit: Unser Gehirn interpretiert Strukturen, Formen oder Figuren so, dass sie möglichst einfach erscheinen. Einfache Formen können wir besser, rascher wahrnehmen als komplizierte. Hat man sich (so wie wir) erst einmal eingängiger mit Infografiken beschäftigt, fällt auf, wie oft diese Gesetze im Alltag missachtet werden. Wobei Dr. Weber auch vielen InformationsgrafikerInnen der großen Medienhäuser Rosen streut: “Gerade im Bereich der Big Data-Visualisierung gibt es sehr viele gut gemachte und durchdachte Arbeiten.” Mehr als einmal fiel an dieser Stelle die “New York Times”, die dafür ein eigenes Departement beschäftigt und jährlich zahlreiche Preise für die besten Arbeiten einheimst.

Less is more – der Trend geht zurück zu vereinfachten grafischen Darstellungen

Trotz des Trends zu opulenten Darstellungen spricht sich Wibke Weber klar für ein “back to the roots” aus: “Manchmal sieht man bei Tabellen, dass viele überflüssigen Farben verwendet werden: Balken in Weiß und Hellblau, die sich abwechseln, weil das Programm das so vorgibt. Aber zum besseren Verständnis einer Tabelle ist das nicht unbedingt notwendig. Man sollte auch darauf achten, dass man wirklich nur die wichtigsten Daten fett oder in einer anderen Farbe markiert, um damit gezielt die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser auf diese Inhalte zu lenken.” Im von ihr gezeigten Beispiel war klar erkennbar, dass die Abwechslung von weißen und blauen Balken weder eine bestimmte Aussage hatte, noch der Lesbarkeit oder dem Verständnis diente. Während das Gestaltgesetz also vorgibt, dass alles was blau und alles was weiß ist zusammen gehört, werden Farben oft lediglich der Optik wegen verwendet.

Tortendiagramme schmecken nicht jedem

Wenig Hehl hat Wibke Weber daraus gemacht, dass sie Kreis- oder Tortendiagramme zumeist als nicht besonders sinnvoll erachtet: “Oft werden die einzelnen Segmente so angeordnet, dass sie von der Beschriftung her gut in das Seitenlayout passen, aber nicht so, wie man Segmente in einem Kreisdiagramm anordnen sollte. Zu beachten ist hier: Man beginnt in der 12 Uhr-Position und fügt das größte Elemente dann rechts von dieser Position ein und das zweitgrößte links davon. Eine andere Möglichkeit wäre die Anordnung der Segmente der Größe nach im Uhrzeigersinn. Man startet dann mit dem größten Segment an der 12 Uhr-Position und lässt die anderen folgen, von der Wichtigkeit her abnehmend. Wir sind von unserer Leseweise so programmiert, dass wir in Tortendiagrammen eine Uhr sehen. Deswegen ist 12 Uhr die wichtige Position, weil man weiß, dass dort instinktiv der Blick landet. Hier sollten folglich die wichtigsten Informationen stehen. Häufig wird jedoch mit den kleinsten, oft nichtssagenden Segmenten neben der 12 Uhr-Position angefangen. Oder man ordnet die Stücke so an, dass die Farben am besten zueinander passen und konzentriert sich dabei nicht mehr auf die Größe.” Weber rät auch dazu, genau zu überlegen, ob ein Tortendiagramm, für das was man aussagen möchte, überhaupt Sinn macht, “denn oft lassen sich diese Zahlen mit einem Balkendiagramm besser erfassen.”

Diagramme – kleine “Unachtsamkeiten” mit großer Wirkung

Beim Liniendiagramm ist es wichtig, dass nicht zu viele Linien dargestellt werden. “Da sollte man darauf achten, ob sich unwesentliche Linien nicht reduzieren lassen. Ansonsten sollte auf eine andere Form der Darstellung zurückgegriffen werden”, so Weber. Sie rät an dieser Stelle dazu, stattdessen Small Multiples nehmen – diese müssen jedoch immer die gleiche Einteilung haben, um Sinn zu machen. Leser sollten bei der Darstellung eines Liniendiagramms auch genau die Bandbreite unter die Lupe nehmen. Denn gelegentlich werden Linien einfach zu flach oder zu steil dargestellt, was deren Dramaturgie entscheidend beeinflusst. Ein weiteres, bewusst oder unbewusst, manipulatives Mittel ist es, wenn die 0-Linie abgeschnitten wurde. Da können dann an sich marginale Unterschiede optisch rasch zu einem Big-Gap werden. Bei Zeitlinien ist die 0-Linie zwar weniger wichtig (denn wer will in seiner Darstellung schon beim Anbeginn der Menschheit starten), hier ist aber darauf zu achten, dass die Abstände zwischen den Ereignissen stimmen. Schließlich macht es einen Unterschied, ob sich ein Ereignis im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat oder in den letzten fünf Jahren.

Grafisch sei noch anzufügen, dass bei einem Balkendiagramm die Balken immer stärker sein müssen als der weiße Raum dazwischen. Die Legende sollte anhand der Säulen gereiht sein. Rasterlinien sind eher zu vermeiden. Hier eher die Zahlen direkt in oder zu den Balken/Säulen dazu schreiben. Dreidimensionale Säulen und Balken machen zwar optisch etwas mehr her, sie erschweren aber den Vergleich. Hier zu einfachen flachen Darstellungen greifen. Und last but not least sollen Piktogramme niemals in verschiedenen Größen dargestellt und nicht angeschnitten werden. Also keine Häuschen und Männchen halbieren oder gar vierteln.

Buchtipp: Interaktive Infografiken, Weber, Wibke, Burmester, Michael, Tille, Ralph (Hrsg.)

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Gabriele Pflanzl administrator