Bürokratie kann Ihrer Sprache schaden

VonGabriele Pflanzl

Bürokratie kann Ihrer Sprache schaden

Wie Texte ihren Weg durch den Big Data-Dschungel finden

Es besteht ein groteskes Missverhältnis zwischen der Flut der auf uns eindringenden Informationen und ihrem tatsächlichen Informationsgehalt. Denn das pausenlose Wortgeriesel aus immer mehr Kanälen stumpft die LeserInnen immer noch stärker ab. Als Draufgabe bekommen diese dann einfach dieselben Texte noch öfter und auf noch mehr Kanälen.

Und was tun wir angehenden Content Strategen der FH Joanneum dagegen? Wir versuchen den „Bedarf“ an immer mehr Texten für immer mehr Orte in Schemas, Sheets und Charts zu sortieren.

Und wofür das Ganze? Menschen reden übers Wetter!

Wer für den rauschenden Content-Ausstoß ausschließlich die Werbung verantwortlich macht, irrt. Tatsächlich besteht fast der gesamte Wortausstoß der Menschheit aus informationsfreiem Geplapper und leerem Geschwätz. (Die Wissenschaft liegt hier bei ca. 80 Prozent, Skeptiker meinen, es müssen mindestens 95 sein.) Wer darüber nachdenkt, wie Menschen sich ständig über das Wetter aufregen oder über Krankheiten reden, merkt, dass da was dran sein muss an der These. Und über die Sinnhaftigkeit von Katzenvideos möchte ich mich nicht schon wieder äußern, sonst haben die Skeptiker am Ende wirklich recht.

Keiner hat je behauptet, dass die Welt logisch ist. Aber alle nehmen es an…

Falsch ist auch die Annahme, dass unser Zeitalter der Bürokratie und Logik, der Sprache gut täte. Heutzutage wo alles so schön neudeutsch in „Timetables, Fact- und Spreadsheets“ vorgeplant wird, was zuvor in zahlreichen Meetings und Workshops festgelegt wurde, scheint sich das inhaltliche Übel nur noch zu verschlimmern. Es braucht ja mittlerweile uns Content Strategen, damit wir den Inhalten wieder ihren Inhalt zurückgeben. Die Krux daran ist ja, dass Sprache generell nicht logisch ist. So besteht ein Orangensaft zwar aus dem Saft von Orangen (zumindest sollte er es) ein Zitronenfalter ist aber keine Person, die… eben!

Unser Hang zur Oberflächlichkeit ist 500 Mio. Jahre alt

Schuld an allem hat unser träges und manipulierbares Reptilien-Hirn, das es sich so gerne einfach macht und auf das die Werbung so schöne Antworten hat. Etwa indem es Produktinformationen im Kleingedruckten versteckt, während an der Oberfläche fröhliche Kinder, glückliche Kühe und coole Menschen um die Wette strahlen. Seien wir ehrlich! Vieles wollen wir doch gar nicht so genau wissen. Etwa die Nährwerte eines Burgers, die Kalorien einer Pizza oder die Bedingungen unter denen unsere Lieblingsjeans produziert wurden. Wir sperren uns gegen Informationen, die unser Lustzentrum ankratzen und lassen uns von Ängsten leiten. Nur damit wir unser mühsam zurechtgelegtes Weltbild und unsere Sehnsüchte nicht zurechtrücken müssen.

Big Data für Big Gumps? Quo vadis Content Strategie?

Content-Strategen müssen als komplexe Inhalte checken, um sie vereinfacht einer breiten Masse zugänglich zu machen. Was wiederum unsere Listen-Leistung des letzten Semesters erklärt. Eine weitere Möglichkeit, um dem Ansturm von Big Data gewachsen zu sein, ist die So-What-Analyse. Diese besteht aus den drei Fragen: What? So what? What now? Also: Was? Na und? Was jetzt? Sie kann Copywritern und Content Strategen dabei helfen, ihr Datenmaterial in den Griff zu bekommen und die für den Leser/die Leserin relevanten Inhalte herauszufiltern. Konkret: Haben Sie nicht auch schon oft einen Text gelesen und sich gefragt was wollen die mir damit eigentlich sagen? Oder na und? Wozu soll diese Information nützen? Und was jetzt? Vielleicht weil Sie überlegen, wo Sie nun die Informationen herbekommen, nach denen sie eigentlich gesucht haben? So-What-Texte sind also Texte, die LeserInnen: informieren und/oder unterhalten sollen.

Die drei essentiellen Fragen der So-What-Analyse im Detail:

„Was?“ ‑ bezieht sich immer auf Tatsachen. Wie ich vorhin schon beschrieben habe, hat jeder Mensch ein Recht auf seine eigene Meinung. Er kann das Wetter schön oder schlecht finden, sich über seinen Gesundheitszustand oder den Untergang des Abendlandes beklagen und den Kaloriengehalt seiner Salami-Pizza geflissentlich ignorieren. Das ist sein persönliches Recht! Worauf der Mensch keinen Anspruch hat, das sind die Fakten. Eine Pizza wird nicht weniger Kalorien haben, nur weil er das gut fände. Und das Wetter schaltet auch nicht auf Sonnenschein, nur weil eine Radtour geplant ist. Fakten sehen aus jeder Perspektive und durch jeden Filter gleich aus. Ein Lieferengpass ist ein Lieferengpass, ein Produkt mit einem Zuckeranteil von 25 Prozent kein gesunder Snack und Kinderarbeit ist und bleibt Kinderarbeit! WerberInnen und somit auch Content Strategen sollten sich also davor hüten, bei Fakten „zu lügen“. Ihnen sollte dieses „Was?“ aber immer bewusst sein, damit sie entscheiden können, wie sie damit umgehen. Dieses „Was?“ funktioniert übrigens auch andersrum. Es gibt zahlreiche Firmen, die großartige Produkte zu nachhaltigen, fairen Bedingungen herstellen und gar nicht auf die Idee kommen, das ihren Kunden zu erzählen. Hier kann Content Strategie dabei helfen, ein großartiges „Was?“ vor den Vorhang zu holen, um dem Leser/der Leserin dadurch einen Mehrwert an Informationen zu liefern.

 Na und? ‑ hat eine eigene Meinung. Um vom „Was?“ zum „Na und?“ zu gelangen, muss man sich fragen: „Was bedeuten diese Tatsachen und Fakten für mich? Und für meine LeserInnen?“ Welche Schlüsse lassen sich aus den Daten ziehen? Und wie sollen sie vermittelt werden? An einem der Beispiele zuvor dargestellt: „Ja, wir haben derzeit einen Lieferengpass. Aber es lohnt sich auf unser Produkt zu warten!“ Unmittelbar darauf sollte aber schon Ihr „Was jetzt?“ folgen. Was jetzt? ‑ macht Ihre Schlussfolgerung zu Vorwärts-Aktionen. In Übereinstimmung mit Ihren Schlussfolgerungen und auf der Grundlage der Fakten, stellt „Was jetzt?“ Ihre Empfehlung dar für das, was als nächstes getan werden sollte. Also: „Ja, wir haben derzeit einen Lieferengpass. Aber es lohnt sich auf unser Produkt zu warten. Dürfen wir Sie deshalb in unsere Vormerkliste aufnehmen und Ihnen Bescheid geben, sobald wir liefern können?“. Erst hier sind wir bei einem vollständigen So-What-Inhalt und einer Information, mit der ein Kunde etwas anfangen kann.

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Gabriele Pflanzl administrator